8. Dezember 2015

Wissenschaftler schlagen »Friedenstechnologie«
gegen Terrorismus vor: Ein Interview
mit dem Quantenphysiker John Hagelin

Von Jeanne Ball

Da sich die Regierungen in ihrem Kampf um eine Lösung des Terrorproblems ratlos zeigen, schlägt eine internationale Allianz von Forschern eine wissenschaftlich abgesicherte Alternative vor.

Die Global Union of Scientists for Peace veröffentlichte dazu einen »Offenen Brief« an Präsident Obama, Präsident Hollande and Präsident Putin sowie an alle Staatsoberhäupter: als Gegenmodell zu herkömmlicher Friedenssicherung durch Zwang und Gewalt (International New York Times, 3. Dezember 2015).

Im nachfolgenden Interview beantwortet der Quantenphysiker John Hagelin, Präsident der Global Union of Scientists for Peace, Fragen zu diesem neuartigen Ansatz.

Dr. Hagelin promovierte an der Harvard University. Hagelin war verantwortlich für wegweisende Forschungsprojekte am CERN und SLAC (European Center for Particle Physics, Stanford Linear Accelerator Center). Er ist verantwortlich für die Entwicklung einer höchst erfolgreichen, auf dem Superstring aufbauenden Großen vereinheitlichten Feldtheorie.

Ihr Offener Brief in der New York Times bezeichnet tiefverwurzelten, gesellschaftlichen Stress als Grundursache des Terrors. Können Sie das kurz zusammenfassen?

Unter Fachleuten, die auf dem Gebiet der Konfliktlösung arbeiten, besteht die überwältigende Übereinstimmung, dass die erste Phase bei der Entstehung von Kriegen die Anhäufung von gesellschaftlichem Stress ist. An den Krisenherden der Welt herrschen immer politische, ethnische und religiöse Spannungen unter jeweils rivalisierenden Parteien. Nehmen diese Spannungen ungebremst zu, erreichen sie einen Siedepunkt. Unweigerlich bricht dann Gewalt aus: Verbrechen, Krieg, Terror. Wenn wir solche gesellschaftlichen Spannungen – auch nur ein wenig – entschärfen, bevor sie überkochen, schlagen sie nicht mehr in Gewalt um. Auch Wasser kocht nicht bei 99 Grad.

Kollektives Bewusstsein ist ein Begriff, der das individuelle Bewussthsein aller beschreibt: die Grundlage jeder Gesellschaft. Gestresste Menschen erzeugen eine gestresste Gesellschaft und damit ein gestresstes Kollektivbewusstsein. Wer immer zu dieser gestressten Gesellschaft gehört, fühlt diesen gesellschaftlichen Stress. Und dadurch vergrößert er ihn noch mehr.

Wirksame, stressreduzierende Meditationstechniken verringern erst einmal den Stress des Einzelnen. Das zeigen zahlreiche wissenschaftliche Studien. Praktiziert nun ein signifikanter Teil der Bevölkerung – mindestens 1 Prozent – diese Techniken (vornehmlich Transzendentale Meditation, TM), dann führt das zu einem deutlichen Rückgang von gesellschaftlichem Stress, was wiederum signifikant die Gewaltkriminalität reduziert, die Zahl psychisch bedingter Notrufe verringert und andere Symptome akuten gesellschaftlichen Stresses abbaut.

Und man stellte fest: Praktizieren große Gruppen die TM und die mit ihr verbundenen Meditationstechniken für Fortgeschrittene, verstärkt sich die Wirkung auf die Gesellschaft noch einmal. Mehrere Studien während der Kriege in Nahost und in Zusammenhang mit globalem Terrorismus haben gezeigt, dass bereits eine kleine Gruppe – zahlenmäßig die Quadratwurzel aus 1 Prozent der Bewohner einer Region – die gesellschaftlichen Konflikte der Region wirksam entschärfen und verhindern kann. (Hier eine kurze Zusammenfassung dieser Forschung.)

Es ist dabei nicht erforderlich, dass die Kriminellen und Terroristen selbst diese Meditationstechnik ausüben. Diese Personen entspannen sich, wenn sich die sie umgebende Gesellschaft entspannt und sich die Unterstützung des fanatischen Verhaltens in der Gesellschaft auflöst. Dies konnte wiederholt bestätigt werden. Und das ist dieser neuartige, innovative, aber schon ausgiebig erprobte Ansatz, den wir heute vorschlagen.

Warum ist diese Lösung effektiver als andere Ansätze?

Konventionelle Ansätze zur Konfliktlösung sind einfach zu oberflächlich. Sie funktionieren eher wie ein Heftpflaster. Die grundlegende Ursache von Krieg und Terror beseitigen sie nicht: politische, religiöse und ethnische Spannungen in der Gesellschaft. Die Geschichte zeigt: Politische Übereinkommen und ausgehandelte Verträge sind das Papier nicht wert, auf dem sie unterschrieben werden. Solche Verträge sind historisch kurzlebig, denn die tiefsitzenden Spannungen sprechen sie nicht an, entschärfen sie nicht. Das Verlangen nach Blutrache, das einige mit sich herumtragen, bleibt ungestillt.

Hat man das schon mal ausprobiert? Ist es geprüft, bestätigt?

Es wurden mehr als 50 praktische Nachweise geführt und in diesem Zusammenhang 23 wissenschaftliche Studien veröffentlicht: in führenden, gutachtergeprüften wissenschaftlichen Fachjournalen. Seit den frühen 80er-Jahren gab es mindestens sieben Einsätze in Nahost. Jedes Mal konnte dabei die Zahl der Kriegsopfer und der kriegsbedingten Verletzungen um durchschnittlich 80 Prozent reduziert werden. Die Kontrahenten erzielten bedeutsame Fortschritte in Richtung Frieden. Umso bedauerlicher, dass die staatliche Unterstützung ausblieb, um diese großen, friedensfördernden Gruppen meditierender Experten aufrechtzuerhalten.

Kein anderer Ansatz zur Verhütung von Krieg und zur Förderung gesellschaftlichen Friedens ist derart rigoros getestet worden. Kein anderer erwies sich als derart wirksam wie dieser fundamentale, bewusstseinsbasierte, »Neurowissenschaftliche Friedensansatz«.

Haben Sie das Gefühl, dass die konventionellen Ansätze zur Bekämpfung des Terrorismus von vorneherein zum Scheitern verurteilt sind?

Der historische Befund ist eindeutig. Beispiel Nahost: Hier gab es buchstäblich Hunderte von Friedensverträgen. Im Durchschnitt hatten sie nur wenige Monate Bestand. Von Regierungsvertretern ausgehandelte Vereinbarungen können den tiefsitzenden Stress im Kollektivbewusstsein der Bevölkerung einfach nicht neutralisieren.

Sogar militärische Ansätze konnten selten dauerhaften Frieden erzielen – trotz ihrer enormen Kosten und ihres Tributs an menschlichem Leben und Leid. Der Irak-Krieg ist nur ein Beispiel. Militärische Intervention führt in diesen politisch instabilen Regionen meist nur noch zu größeren Spannungen.

Sie verweisen auf eine »Friedenstechnologie«, die mächtiger sei als Waffen. Können Sie das erläutern?

Wenn wir dauerhaften Frieden und gesellschaftliche Harmonie im Blick haben, sind Waffen wirklich nicht sehr effektiv. Sie sind nur eine Reflex-Reaktion in Ermangelung von etwas Besserem. Waffen sprechen meist Männer an, die sich kaum darum scheren, dass diese Werkzeuge historisch ungeeignet sind und eine dürftige Erfolgsgeschichte haben. Der erste Weltkrieg sollte alle Kriege beenden. Demütigung und Zerstörung der Besiegten führte aber zum Zweiten Weltkrieg. Wir brauchen etwas Erfolgreicheres, Innovativeres, Leistungsfähigeres, das die Grundursache der Gewalt beeinflusst und entschärft.

Bei so vielen kriegführenden Parteien und Ideologien, die miteinander im Streit liegen – wie sähe da ein Ansatz aus, der alle Seiten versöhnt und ihnen gibt, was sie benötigen?

Das, was die Menschen brauchen, gewinnt man nicht auf dem Schlachtfeld. Menschen wollen Frieden, Wohlstand, Sicherheit, Glück. Eine Verwüstung durch Krieg führt zu nichts von alledem. Sie können Frieden nicht durch Gewalt erzwingen. Glück entwickelt man nicht durch Töten. Auf diese Weise setzt sich nur der endlose Kreislauf von Krieg und nochmals Krieg fort.

Wenn wir Frieden wollen, müssen wir Frieden im kollektiven Bewusstsein der Gesellschaft beleben. Wenn wir Glück wollen, dann sollte Glück im kollektiven Bewusstsein belebt werden. Es gibt eine Fülle von Studien, die zeigen, dass die TM-Praxis beides belebt. (Siehe z.B. www.Meditation.de.)

Was ist nötig, um dies schnell umzusetzen?

Zum Glück braucht es dazu relativ wenig. Jede Institution kann eine Gruppe von Einzelpersonen zusammenstellen und sie in diesen friedensfördernden Technologien ausbilden lassen. Und sie kann Mittel und Ressourcen für Sicherheit und Komfort dieser Gruppen in ausreichendem Maß bereitstellen: Es können Truppen einer Militärbasis sein, Studenten einer Militärakademie, Studenten einer größeren Universität, eine Gruppe beschäftigungsfreier Bürger, ja sogar Gruppen von Flüchtlingen. Dann wird die Global Union of Scientists for Peace ein geeignetes Training arrangieren. Die Wirkungen werden sofort spürbar, innerhalb weniger Monate.

Ich empfehle, die Maßnahme mit einer Studie zu begleiten, damit der Effekt demonstriert und dokumentiert werden kann. So können Politiker, Entscheidungsträger und Öffentlichkeit zufriedengestellt werden.

Alle Regierungsvertreter, alle privaten Wohltäter, die diesen Ansatz gerne umgesetzt sehen wollen, wenden sich bitte an: President@GUSP.org

HuffPost Live TV-Interview: Trailer (1 Min.)