Die gefährlichste Region der Welt:
In Südasien bahnt sich ein nuklearer Entscheidungskampf an

von Dilip Hiro, Tom Dispatch. 4. April 2016

US nuclear weapon test

Amerikanischer Atomwaffentest MIKE der Operation Ivy, 31. Oktober 1952, der erste Test einer thermonuklearen Waffe (Wasserstoffbombe). (Foto: mit freundlicher Genehmigung der National Nuclear Security Administration/Nevada Field Office).

Ohne Zweifel ist die indisch-pakistanische Grenze in Kaschmir seit fast zwei Jahrzehnten der gefährlichste Ort der Erde. Ein kleiner Funke anlässlich eines Schusswechsels zwischen Artillerie- und Raketenstellungen könnte an dieser Grenze – nach der gängigen militärischen Doktrin der beiden atomar bewaffneten Nachbarn – unaufhaltsam zu einer allumfassenden nuklearen Feuersbrunst führen. In diesem Fall wäre das Ergebnis katastrophal. Neben dem Tod von Millionen von Indern und Pakistanern könnte ein solcher Krieg zu einem »Atomwinter« auf einer weltweiten Ebene und damit zu Stufen von Schmerz und Tod führen, die über unser Verständnis hinausgehen.

Der nukleare Wettstreit zwischen Indien und Pakistan ist mittlerweile in eine schaurige Phase getreten. Grund ist die Entscheidung Islamabads, taktische Atomwaffen mit geringerer Wirkung in ihren offensiv operierenden Stellungen entlang seiner gesamten Grenze zu Indien in Stellung zu bringen, um eine mögliche Aggression durch indische Panzerverbände zu verhindern. Bedenklicherweise sollen jedoch schon lokale Kommandanten entscheiden können, eine solche nukleare Rakete mit einer Reichweite von 35 bis 60 Meilen abzuschießen. Dies stellt eine gefährliche Abkehr von der allgemeinen Praxis dar, diese Autorität in den Händen der höchsten Beamten der Nation zu belassen. Eine solche Situation ist ohne Beispiel im Washington-Moskauer Atomwaffen-Wettrüsten des kalten Krieges.

Was die strategischen Atomwaffen Pakistans anlangt, so werden ihre Einzelteile an verschiedenen Orten gelagert und können nur auf Befehl des Staatsoberhaupts zusammengesetzt werden. Taktische Atomwaffen hingegen werden in einer Atomfabrik vorgefertigt und zur sofortigen Nutzung ins Grenzgebiet transportiert. Neben den natürlichen Gefahren, die dieses Verfahren mit sich bringt, sind solche Waffen auch dem Missbrauch durch kriminelle Kommandeure oder dem Diebstahl durch eine der vielen militanten Gruppen in diesem Land ausgesetzt.

Im nuklearen Patt zwischen den beiden Nachbarn steigen die Einsätze ständig, wie Aizaz Chaudhry, der oberste Bürokrat im pakistanischen Außenministerium, vor kurzem klar machte. Der Einsatz von taktischen Atomwaffen, so erklärte er, solle als eine Art »Abschreckung« gegen Indiens »Cold Start«-Strategie dienen, einem angeblichen Notfallplan, der darauf abzielt, Pakistan massiv für irgendwelche inakzeptablen Provokationen wie z.B. einen Terroranschlag gegen Indien zu bestrafen.

Neu-Delhi weigert sich, die Existenz von »Cold Start« zu bestätigen. Eine unaufrichtige Verweigerung. Bereits 2004 diskutierte es diese Doktrin, welche die Bildung von acht integrierten Kampftruppen von Divisionsgröße vorsah. Diese sollten aus Infanterie, Artillerie und Luftunterstützung bestehen, die alle unabhängig auf dem Schlachtfeld operieren können. Bei großen Terroranschlägen durch eine pakistanische Gruppe sollten diese IBGs (Integrated Battle Groups) darauf reagieren, indem sie schnell an unerwarteten Stellen der Grenze nicht mehr als 30 Meilen in pakistanisches Territorium eindringen und die militärischen Befehls- und Kontrollstrukturen unterbrechen, unter Umgehung von Stellungen, die einen nuklearen Vergeltungsschlag auslösen können. Mit anderen Worten, Indien hat schon lange vor, auf große Terroranschläge mit schnellen und verheerenden konventionellen militärischen Aktionen zu reagieren, die nur begrenzten Schaden zufügen würden und damit – in einem Best-Case-Szenario – eine pakistanische Rechtfertigung für eine atomare Antwort inakzeptabel machen würden.

Andererseits sucht Islamabad nach wie vor nach Wegen, einen solchen indischen Kaltstart-Blitzkrieg auf seinem Territorium zu verhindern. Nach vielen internen Debatten entschieden sich die obersten Beamten für taktische Atomwaffen. Im Jahr 2011 hat Pakistan solche erfolgreich getestet und seitdem jährlich vier bis fünf solcher Tests pro Jahr durchgeführt, so Rajesh Rajagopalan, Co-Autor von »Nuclear South Asia: Keywords and Concepts« aus New Delhi. 

All dies geschieht im Umfeld von Bevölkerungen, die sich feindlich gegenüberstehen. Eine typische Umfrage aus dieser Zeit durch das »Pew-Forschungszentrum« ergab, dass 72 % der Pakistaner eine negative Sicht gegenüber Indien hatten, wobei 57 % es als eine ernste Bedrohung betrachteten, während auf der anderen Seite 59 % der Inder Pakistan in einem ungünstigen Licht sahen.

Dies ist der Hintergrund, vor dem die Führung Indiens verlauten ließ, dass ein taktischer Atomangriff auf ihre Streitkräfte, auch auf pakistanischem Boden, als vollwertiger atomarer Angriff auf Indien angesehen werden würde und dass Indien sich das Recht vorbehalten würde, entsprechend zu antworten. Da Indien keine taktischen Atomwaffen hat, könnte es nur mit weit verheerenderen strategischen Atomwaffen vergelten, die möglicherweise auf pakistanische Städte gerichtet sind.

Nach einer Einschätzung der US Defense Intelligence Agency (DIA) aus 2002 könnte ein Worst-Case-Szenario bei einem indisch-pakistanischen Atomkrieg sofort 8 bis 12 Millionen Tote zur Folge haben und weitere Millionen Verletzte durch radioaktive Strahlung. Neuere Studien haben gezeigt, dass bis zu einer Milliarde Menschen weltweit von Hunger und Hungersnöten durch eine von Rauch und Ruß verseuchte Troposphäre betroffen sein könnten, falls es zu einer atomaren Auseinandersetzung in Südasien kommen sollte. Der daraus resultierende »nukleare Winter« mit dem folgenden Ernteverlust könnte notwendigerweise zu einem sich langsam entwickelnden globalen nuklearen Holocaust führen.
 
Um die Gefahr einer solch katastrophalen Auseinandersetzung zu reduzieren, trafen sich die Oberbefehlshaber der Obama-Regierung in Washington mit dem pakistanischen Armeechef, General Raheel Sharif, dem obersten Entscheidungsträger für die nationale Sicherheitspolitik des Landes, und forderten ihn auf, die Produktion taktischer Atomwaffen zu stoppen. Im Gegenzug versprachen sie, die Benachteiligung Islamabads im nuklearen Bereich zu beenden, indem sie seinen Einstieg in die 48-köpfige Nuclear Suppliers Group unterstützen, zu der Indien bereits gehörte. Obwohl nach Sharifs Reise kein formales Kommuniqué erschien, wurde bekannt, dass er das Angebot abgelehnt hatte.

Dieser Misserfolg zeigte sich auch in der Aussage von DIA Direktor Leutnant General Vincent Stewart im Februar gegenüber dem Armed Services Committee im Februar. »Pakistans Atomwaffen wachsen weiter«, sagte er. »Wir sind besorgt darüber, dass dieses Wachstum sowie die sich entwickelnde, mit taktischen Waffen verbundene Doktrin das Risiko eines Zwischenfalls oder eines Unfalls erhöhen.« 

Strategische Atomsprengköpfe

Seit dieser Einschätzung der DIA bezüglich der menschlichen Todesopfer in einem südasiatischen Atomkrieg haben die strategischen Atomarsenale von Indien und Pakistan weiter zugenommen. Nach einem Bericht des US-Kongresses vom Januar 2016 bestand Pakistans Arsenal vermutlich aus 110 bis 130 Atomsprengköpfen. Gemäß dem Stockholmer International Peace Research Institute hat Indien 90 bis 110 davon. (China, der andere regionale Beteiligte, hat etwa 260 Sprengköpfe).

Als Ende der 1990er-Jahre Indien und Pakistan ihre neuen Waffen testeten, veröffentlichten die Regierungen ihre nuklearen Grundsätze. Der Nationale Sicherheitsbeirat für die indische Nuklearlehre zum Beispiel stellte im August 1999 fest, dass »Indien nicht der Erste sein wird, der einen Atomschlag einleitet. Man würde stattdessen eine strafrechtliche Verfolgung einleiten, falls die Abschreckung fehlschlagen sollte«. Indiens Außenminister erklärte damals, dass die in dieser Doktrin erwähnte »kleinste wirksame Abschreckung« eine Frage der »Angemessenheit« sei, nicht die Anzahl der Sprengköpfe. In den darauffolgenden Jahren wurde jedoch dieser Maßstab für die »kleinste wirksame Abschreckung« regelmäßig neu definiert, da die indischen Politiker sich verpflichtet fühlten, das Atomwaffenprogramm des Landes mit einer neuen Generation von stärkeren Wasserstoffbomben zu modernisieren, die als Städte-Zerstörer konzipiert wurden.

Im Februar 2000 gründete Pakistans Pervez Musharraf, der auch der Armeechef war, die Abteilung Strategische Planung in der National Command Authority und ernannte den Generalleutnant Khalid Kidwai zum Generaldirektor. Im Oktober 2001 gab Kidwai einen Überblick über die aktualisierte Atomdoktrin des Landes in Bezug auf seinen militärisch und wirtschaftlich weit überlegenen und leistungsfähigeren Nachbarn und sagte: »Es ist bekannt, dass Pakistan keine Nicht-Erstschlagpolitik verfolgt.« Dann legte er die Kriterien für die Verwendung von Atomwaffen dar. Die Atomwaffen des Landes, so Musharraf, zielten nur auf Indien und würden für den Einsatz als Reaktion auf einen Atomangriff aus diesem Land zur Verfügung stehen, oder falls Indien einen großen Teil des pakistanischen Territoriums erobern sollte (die territoriale Schwelle) beziehungsweise einen bedeutenden Teil seiner Land- oder Luftstreitkräfte zerstören sollte (die militärische Schwelle), oder damit beginnen sollte, Pakistan wirtschaftlich zu strangulieren (die ökonomische Schwelle) oder das Land politisch destabilisieren sollte durch groß angelegte interne Subversion (die Destabilisierungsschwelle).

Von diesen war die territoriale Schwelle der am nächsten liegende Auslöser. Neu-Delhi sowie Washington überlegten, wo die rote Linie für diese Schwelle sein könnte, obwohl es keine Einstimmigkeit unter den Verteidigungsexperten gab. Viele vermuteten, dass es der bevorstehende Verlust von Lahore sein würde, der Hauptstadt des Punjab, nur 15 Meilen von der indischen Grenze entfernt. Andere sahen die rote Linie in Pakistans weitläufigem Einzugsgebiet des Indus.

Innerhalb von sieben Monaten nach dieser Debatte eskalierten im Mai 2002 die indisch-pakistanischen Spannungen jäh nach einem Angriff auf eine indische Militärbasis in Kaschmir durch pakistanische Terroristen. Damals wiederholte Musharraf, dass er nicht auf das Recht seines Landes verzichten würde, Atomwaffen zuerst einzusetzen. Die Aussicht auf ein von einer Atombombe getroffenes New Delhi wurde so real, dass US-Botschafter Robert Blackwill den Bau eines Bunkers auf dem Botschaftsgelände in Erwägung zog, um einen Atomschlag zu überleben. Erst als er und seine Mitarbeiter erkannten, dass die Bunkerinsassen durch die Nachwirkungen der nuklearen Explosion doch getötet würden, wurde diese Idee aufgegeben.

Kein Wunder, dass die Führer beider Länder nunmehr selbst in den nuklearen Abgrund starren, aufgrund einer gewalttätigen Auseinandersetzung in Kaschmir – einem umstrittenen Territorium, das seit 1947, als Indien unabhängig und Pakistan gegründet wurde, und das zu drei konventionellen Kriegen zwischen den südasiatischen Nachbarn führte. Als Ergebnis der Auseinandersetzungen von 1947 und 1948 erwarb Indien damals etwa die Hälfte von Kaschmir, Pakistan ein Drittel, und den Rest besetzte später China.

Kaschmir: Ursprung andauernder Feindschaft

Der Kaschmir-Konflikt stammt noch aus der Zeit, in der der britisch-indische Subkontinent in die Hindu-Mehrheit Indiens und die muslimische Mehrheit Pakistans eingeteilt wurde und als indirekt beherrschte, von Maharajas regierte Staaten sich entscheiden sollten, sich entweder Indien oder Pakistan anzuschließen. Im Oktober 1947 unterzeichnete der Hindu-Maharaja der muslimischen Mehrheit in Kaschmir ein Beitrittsabkommen mit Indien, nachdem muslim-stämmige Rebellen aus Pakistan in sein Reich eingedrungen waren. Die schnelle Ankunft der indischen Truppen entriss den Eindringlingen die Hauptstadt Srinagar. Später kämpften diese Truppen regelmäßig gegen die pakistanischen Truppen, bis zu dem von den Vereinten Nationen vermittelten Waffenstillstand vom 1. Januar 1949. Das Beitrittsdokument sah vor, dass den Kaschmiris in einer Volksabstimmung Gelegenheit gegeben werden sollte, zwischen Indien und Pakistan zu wählen, sobald der Frieden wiederhergestellt war. Das ist jedoch noch nicht geschehen und es gibt auch keine realistische Aussicht darauf.

Indien befürchtete eine Niederlage in einer solchen Volksabstimmung angesichts der pro-pakistanischen Gefühle, die unter der Mehrheit der Muslime des Landes vorherrschten, und fand deshalb immer wieder Möglichkeiten, die UN-Versuche zur Durchführung einer Volksabstimmung zu blockieren. Indien verlieh schließlich dem von ihm kontrollierten Teil Kaschmirs einen Sonderstatus und hielt Wahlen nach indischem Gesetz ab, was Pakistan mit Argwohn beobachtete.

Im September 1965, als seine verbalen Proteste sich als vergeblich erwiesen, versuchte Pakistan, den Status quo durch militärische Kraft zu verändern. Es begann einen Krieg, der noch einmal in einem Patt und einem anderen von den UN vermittelten Waffenstillstand endete, der die kriegführenden Parteien dazu bestimmte, hinter die Waffenstillstandslinien von 1949 zurückzukehren.

Ein dritter bewaffneter Konflikt zwischen den beiden Nachbarn folgte im Dezember 1971. Er führte zu Pakistans Verlust seines östlichen Ausläufers, aus dem später das unabhängige Bangladesch hervorging. Bald darauf versuchte die indische Ministerpräsidentin Indira Gandhi den pakistanischen Präsidenten Zulfikar Ali Bhutto davon zu überzeugen, die 460 Meilen lange Waffenstillstandslinie in Kaschmir (umbenannt in die »Kontrolllinie«) in eine internationale Grenze umzuwandeln. Da er das Verlangen seines Landes nach einer Volksabstimmung im ganzen Kashmir in seinen Grenzen von 1947 nicht aufgeben wollte, weigerte sich Bhutto. Und so blieb das Patt bestehen.

Während der Militärherrschaft von General Zia al Haq (1977-1988) initiierte Pakistan eine Politik der Schwächung Indiens mit einer Politik der tausend Nadelstiche durch die Förderung terroristischer Aktionen sowohl im indischen Kaschmir als auch im ganzen Land. Delhi antwortete mit einer Verstärkung der militärischen Präsenz in Kaschmir und der brutalen Unterdrückung von Bewohnern, die eine Volksabstimmung forderten oder die Trennung von Indien befürworteten und beging dabei weitreichende Menschenrechtsverletzungen.

Um die Infiltration von Kämpfern aus dem pakistanischen Kaschmir zu stoppen, errichtete Indien einen doppelten, 3,60 Meter hohen Zaun und legte im Zwischenraum einen Gürtel mit Hunderten von Landminen. Später sollte diese Barriere auch mit Infrarotkameras und Bewegungssensoren ausgestattet werden, um die Eindringlinge erkennen zu können. In den späten 1990er Jahren befanden sich auf der einen Seite dieser »Kontrolllinie« 400 000 indische Soldaten und auf den anderen 300 000 pakistanische. Kein Wunder, dass Präsident Bill Clinton diese Grenze als »den gefährlichsten Ort der Welt« bezeichnete. Durch die Hinzufügung taktischer Atomwaffen ist sie es heute noch viel mehr.

Kaschmir: Ein giftiger Zankapfel

Schon vor Pakistans Einführung taktischer Nuklearwaffen waren die Spannungen zwischen den beiden Nachbarn gefährlich gestiegen. Dann plötzlich, Ende 2015, zeigte sich der Hauch einer Chance auf eine Normalisierung der Beziehungen. Der indische Ministerpräsident Narendra Modi hatte ein herzliches Treffen mit seinem pakistanischen Amtskollegen Nawaz Sharif, dessen Geburtstag am 25. Dezember in Lahore gefeiert wurde. Aber diese Hoffnung wurde zerschlagen, als in den frühen Morgenstunden des 2. Januar vier schwer bewaffnete pakistanische Terroristen die internationale Grenze in Punjab überquerten, eine Unachtsamkeit der indischen Armee ausnutzten und eine Luftwaffenbasis in Pathankot angriffen. Ein tagelanger Schusswechsel folgte. Als die Ordnung am 5. Januar wiederhergestellt war, waren alle Terroristen getötet, aber auch sieben Mann der indischen Sicherheitskräfte sowie ein Zivilist. Der United Jihad Council, eine Dachorganisation von separatistischen militanten Gruppen in Kaschmir, übernahm die Verantwortung für den Angriff. Die indische Regierung bestand jedoch auf der Ansicht, dass die Operation von Masood Azhar, dem Führer der pakistanischen Jaish-e Muhammad (Armee von Muhammad), organisiert worden war.

Wie schon früher war Kaschmir der motivierende Anlass für die indienfeindlichen Kämpfer. Gottseidank erwies sich der Angriff auf Pathankot als kleineres Ereignis, das nicht ausreichte, um die Kriegsgefahr zu erhöhen, doch es hat allen guten Willen wieder zerstreut, der durch das Treffen von Modi und Sharif entstanden war. 

Es gibt jedoch wenig Zweifel, dass eine Wiederholung der Gräueltat, die von pakistanischen Eindringlingen in Mumbai im November 2008 begangen wurde und zum Tod von 166 Menschen und dem Brand des Taj Mahal Hotel, des Wahrzeichens der Stadt, führte, Konsequenzen haben könnte, die in der Tat schrecklich wären. Die indische Doktrin, die eine massive Vergeltung als Reaktion auf einen erfolgreich durchgeführten Terroranschlag dieser Größe fordert, könnte die beinahe sofortige Umsetzung ihrer Cold-Start-Strategie bedeuten. Das wiederum würde wahrscheinlich zum Einsatz von Pakistans taktischen Atomwaffen führen und damit die Möglichkeit eines vollständigen nuklearen Holocaust mit weltweiten Konsequenzen Wirklichkeit werden lassen.

Hinter dem lang andauernden Kaschmir-Konflikt steckt Pakistans ursprüngliche Angst vor dem viel größeren und mächtigeren Indien und seine Abneigung gegen Indiens Ehrgeiz, die Hegemonialmacht in Südasien zu werden. Unabhängig von ihrer Parteizugehörigkeit haben alle Regierungen in Neu-Delhi einen gewaltbereiten Weg zur nationalen Sicherheit verfolgt, um das Verteidigungsprofil des Landes zu stärken.

Ganz allgemein sind die indischen Führer entschlossen zu beweisen, dass ihr Land in einen Zeitabschnitt eintritt, den sie gerne das »Zeitalter des Fortschritts« nennen. Als im Juli 2009 Ministerpräsident Manmohan Singh offiziell ein im Inland gebautes nuklear angetriebenes ballistisches Raketen-U-Boot, die »INS Arihant« vorstellte, wurde dies als herausragender Schritt in diese Richtung gefeiert. Den Verteidigungsexperten zufolge war dieses Schiff das erste seiner Art, das nicht von einer der fünf anerkannten Atommächte gebaut wurde: den Vereinigten Staaten, Großbritannien, China, Frankreich oder Russland.

Die beiden geheimen Atomanlagen Indiens

An der nuklearen Front Indiens tauchte noch mehr auf. Im vergangenen Dezember enthüllte eine Untersuchung des in Washington ansässigen Center for Public Integrity, dass die indische Regierung 100 Millionen Dollar investierte, um eine streng geheime Atomstadt zu bauen, die sich auf über 33 Quadratkilometer in der Nähe des Dorfes Challakere, 260 Kilometer nördlich der südindischen Stadt Mysore, erstreckt. Wenn sie bis 2017 fertiggestellt sein wird, ist sie »der größte militärisch betriebene Komplex des Subkontinents, mit Kernzentrifugen, Atomforschungslaboratorien sowie Waffen- und Flugzeugtestanlagen«. Zu den Zielsetzungen des Projekts gehört es, die Atomforschung der Regierung voranzubringen, um Brennstoff für die Atomreaktoren des Landes zu produzieren und die Expansion der Flotte von Atom-U-Booten zu beschleunigen. Sie wird durch einen Ring von Garnisonen abgeschirmt und ist dadurch zu einer offiziell nicht vorhandenen militärischen Einrichtung geworden.

Ein weiteres geheimes Projekt, das indische Werkstoffwerk für seltene Materialien in der Nähe von Mysore, ist bereits in Betrieb. Es ist ein neuer Kernanreicherungskomplex, der die Atomwaffenprogramme des Landes versorgt und dabei die Grundlage für ein ehrgeiziges Projekt zur Schaffung eines Arsenals an Wasserstoffbomben bildet.

Das übergeordnete Ziel dieser Projekte ist es, Indien einen zusätzlichen Vorrat an angereichertem Uranbrennstoff zu geben, der in solchen zukünftigen Bomben verwendet werden kann. Als Militärstandort wird das Projekt bei Challakere nicht für die Internationale Atomenergie-Organisation oder von Washington zur Einsicht geöffnet sein, da Indiens Atomvereinbarung mit den USA den Zugang zu militärbezogenen Einrichtungen ausschließt. Diese Aktivitäten werden durch das Amt des Premierministers geleitet, der mit der Überwachung aller Atomenergieprojekte beauftragt ist. Indiens Atomgesetz und sein offizielles Geheimnisgesetz verbergen alles, was mit dem nuklearen Programm des Landes verbunden ist, unter einem Deckmantel. In der Vergangenheit wurden diejenigen, die versuchten, ein vollständigeres Bild des indischen Arsenals und seiner Versorgungseinrichtungen zu erhalten, zum Schweigen gebracht.

Kein Wunder also, dass ein älterer Beamter des Weißen Hauses vor kurzem mit den Worten zitiert wurde: »Sogar für uns sind die Details des indischen Programms immer skizzenhafte und schwierige Tatsachen auf dünnem Untergrund.« Er fügte hinzu: »Mysore wird ständig überwacht, und wir überwachen ständig die Fortschritte in Challakere.« Doch nach Gary Samore, einem ehemaligen Verwaltungskoordinator für Rüstungskontrolle und Massenvernichtungswaffen der Obama-Regierung, »will Indien im Rahmen seiner strategischen Abschreckung gegen China thermonukleare Waffen bauen. Es ist unklar, wann Indien dieses Ziel eines größeren und stärkeren Arsenals erreichen wird, aber erreichen werden sie es.«

Einmal hergestellt, gibt es nichts, was Indien von der Anwendung solcher Waffen gegen Pakistan abhalten könnte. »Indien entwickelt jetzt sehr große Bomben, Wasserstoffbomben, die speziell Städte vernichten«, sagte Pervez Hoodbhoy, ein führender pakistanischer Nuklear- und National Security Analyst. »Indien interessiert sich nicht für […] Atomwaffen zum Einsatz auf dem Schlachtfeld, es entwickelt Atomwaffen zur Beseitigung von Bevölkerungszentren.«

Mit anderen Worten, wenn der Kaschmir-Streit weiter schwelt, regelmäßige Terroranschläge auf Indien auslöst und den Wettstreit zwischen Neu-Delhi und Islamabad weiter anfacht, sich gegenseitig in der Vielfalt und Größe ihrer Atomarsenale zu übertreffen, kann die Gefahr für Südasien im Besonderen und für die Welt im allgemeinen nur zunehmen.

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http://www.truth-out.org/news/item/35489-the-most-dangerous-place-on-earth-a-nuclear-armageddon-in-the-making-in-south-asia