Anmerkung: Dieser kurze Artikel von Dr. R.K. Pachauri, dem ehemaligen Vorsitzenden des Weltklimarats (Intergovernmental Panel on Climate Change, IPCC) und GUSP Direktor für Südasien, aus dem Jahr 2016 bietet eine inhaltsreiche und doch knapp formulierte Zusammenfassung des aktuellen Stands der Bedrohung durch Atomwaffen.
— Dr. John Hagelin
Der Bedrohung durch Atomwaffen ein Ende setzen
Von R.K. Pachauri, 6. Mai 2016
Nachdem beim Atomgipfel im April kein Aktionsplan verabschiedet werden konnte, mit dem die Welt gegen die atomare Bedrohung vorgehen könnte, muss sich der ständige Arbeitskreis in Genf – mit offenem Ende – darauf konzentrieren, Kriege insgesamt zu beenden.
Beim Nuklearen Sicherheitsgipfel, den US Präsident Barack Obama 2016 in Washington durchführte, kamen etliche Weltpolitiker zusammen, um über Schritte zu diskutieren, die unternommen werden müssen, um die Bedrohung durch Atomwaffen in konventionellen Kriegen und auch durch Terrorakte reduzieren zu können. Präsident Obama sagte in seiner Rede zu mehr als 50 Gipfelteilnehmern aus aller Welt: »Die Gefahr, dass eine Terroristengruppe an eine Atomwaffe kommt und diese einsetzt, ist eine der größten Bedrohungen der Sicherheit weltweit.« Weiterhin merkte er an, dass bisher noch kein Terrorist in den Besitz einer sogenannten schmutzigen Bombe aus radioaktivem Material gekommen ist, solche Terroristen aber eine ständig wachsende Bedrohung darstellen. Er wies auf die Tatsache hin, dass der sog. »Islamische Staat« chemische Waffen benutzt hat, z.B. Senfgas in Syrien und im Irak, und dass daher der Einsatz atomarer Waffen durch Terroristen durchaus denkbar ist. Obama sagte weiter: »Es steht außer Zweifel: Wenn diesen Verrückten eine Atomwaffe oder nukleares Material in die Hände fällt, dann werden sie dieses sicher benutzen, um unschuldige Menschen zu töten.«
Bisher hat die Welt allerdings leider sehr wenig getan, um die drohende Vernichtung durch Atomwaffen zu mindern, trotz aller Ankündigungen von Weltpolitikern, die sich mit dieser Bedrohung beschäftigen und die sie ausschließen möchten. Ein Artikel in der Zeitung The Guardian, der im Juni 2015 veröffentlicht wurde, erwähnte, dass die letzte Atomwaffensperrvertrags-Konferenz keine hohen Wellen schlug und kaum ein Wort darüber in den Mainstream-Medien zu finden war. Laut The Guardian schätzt man, dass die offiziellen Atomstaaten, also die USA, das Vereinigte Königreich, Russland, China und Frankreich, etwa 15.650 Nuklearwaffen besitzen, die Mehrheit davon in den USA und Russland. Dieses riesige Arsenal an nuklearen Waffen genügt, um unseren Planeten mehrmals zu zerstören und jede Art von Leben sowohl an Land als auch in den Ozeanen auszulöschen. Es ist ironisch, dass mehr als 25 Jahre nach dem Ende des Kalten Krieges die Reduzierung der Gesamtvorräte an Atomwaffen weltweit immer noch sehr gering ist.
Der Gipfel in Washington im April ergab zwar keine konkrete Vereinbarung und keinen Aktionsplan, durch die das Risiko der atomaren Gefahr hätte verringert werden können, aber es gab eine besonders ermutigende Erklärung des Präsidenten von Kasachstan, Nursultan Nazarbayev. Nazarbayev hielt ein starkes Plädoyer für die Minimierung der weltweiten Kriegsgefahr und skizzierte ein Programm, das sicherstellen soll, dass es in der Welt des 21. Jahrhunderts keine Kriege mehr gibt. Teil seines Vorschlags sind mehrere Schritte, die mit großer Dringlichkeit angenommen und umgesetzt werden müssen.
Der erste dieser Schritte ist ein allmählicher Prozess hin zu einer Welt ohne Atomwaffen und andere Massenvernichtungswaffen. Als Zweites empfahl er, bereits existierende geografische Initiativen auszubauen und zu erweitern, um Krieg als einen Teil des Lebens schrittweise auszurotten. Drittens erklärte er, dass es notwendig sei, die Militärblöcke als Relikte des Kalten Krieges zu beseitigen. Sie bedrohen die globale Sicherheit und behindern eine breiter gefächerte internationale Zusammenarbeit. Seine vierte Empfehlung war, den internationalen Abrüstungsprozess an die neuen historischen Gegebenheiten anzupassen. Er meinte zum Beispiel, dass wir eine neue Strategie für die UN-Abrüstungskonferenz brauchen. Sein fünfter Hinweis war, dass eine Welt ohne Kriege in erster Linie faire globale Wettbewerbsbedingungen im internationalen Handel und im Finanz- und Entwicklungssektor erfordert. Eine Welt, in der Ungleichheit vorherrscht und deren Systeme zugunsten der Reichen und Mächtigen einseitig vorbelastet sind, wird nur die Rahmenbedingungen schaffen, die das Risiko des Einsatzes von Kernwaffen zur Massenvernichtung und zur wirtschaftlichen Vormachtstellung erhöhen.
Im Jahr 2001 gründeten der ehemalige Medienmogul Ted Turner und der Senator Sam Nunn die Organisation Nuclear Threat Initiative (NTI), welche die globale Entwicklungen des Bedrohungspotentials durch Atomwaffen und atomares Material überwacht. Die NTI führte eine sehr nützliche Analyse des Nuklearen Sicherheitsgipfels durch, der von Obama einberufen wurde. In ihrem Bericht weisen sie darauf hin, dass%nbsp;83 Prozent der weltweiten Waffenvorräte nutzbares atomares Material für militärische Zwecke sind und dieses sich daher außerhalb des internationalen Zugriffs befindet. Während der Gipfel wieder einmal die grundlegende Verantwortung der einzelnen Staaten betonte, die wirksame Sicherheit von atomarem und anderem radioaktiven Material zu gewährleisten, wurden keine zusätzlichen Schritte unternommen, die Sicherheit dieser 83 Prozent der weltweiten Vorräte anzusprechen, die unter militärischer Kontrolle stehen. Im Übrigen wurde in einer nationalen Erklärung Pakistans erwähnt, dass das Land nukleare Materialien und entsprechende Einrichtungen überall gesichert habe, was man als Besitz von militärischem atomarem Material interpretieren kann. Diese ganze Region bleibt allerdings immer noch eine große Lücke im weltweiten System.
Zweifellos gehört zu den wichtigsten Ergebnissen der regelmäßig stattfindenden Nukleargipfel das hohe Maß an politischer Aufmerksamkeit, die diese Treffen auf das Thema der nuklearen Sicherheit gelenkt haben. Es ist jedoch dringend notwendig, diese Aufmerksamkeit auch weiterhin aufrechtzuerhalten, so dass weltweit ein erfolgreiches und effektives globales Atomsicherheitssystem geschaffen werden und dadurch die Gefahr von Schäden und Zerstörung durch Atomwaffen ausgeschlossen werden kann.
Die Generalversammlung der Vereinten Nationen stimmte im Dezember 2015 dafür, eine spezielle Arbeitsgruppe (Open-Ended Working Group, OEWG) einzurichten und mit einem Mandat zur Entwicklung »gesetzlicher Maßnahmen, gesetzlicher Beschlüsse und Normen« auszustatten, um eine atomwaffenfreie Welt zu schaffen. Diese sogenannte Arbeitsgruppe mit offenem Ende hielt ihre erste Sitzung im Februar ab. Wie erwartet, gab es bei den Diskussionen große Meinungsverschiedenheiten unter den einzelnen Ländern. Einige Delegationen, darunter Brasilien und Indonesien, brachten die Ansicht vor, dass als nächster Schritt ein Vertrag über ein totales Kernwaffenverbot das Logischste wäre, da dies jetzt verhandelbar wäre, auch ohne die Unterstützung der Atomstaaten, die diese Arbeitsgruppe bisher boykottiert haben. Das nächste Treffen wird nun in Genf stattfinden, dort wird erwartet, dass mehrere Staaten ein Atomwaffenverbot fordern werden.
Die Gefahr durch Atomwaffen kann nur dann minimiert oder ganz ausgeschlossen werden, wenn es einen deutlichen Wandel in den menschlichen Vorhaben und Maßnahmen gibt, der drohende Kriege vollkommen unterbinden würde. Es ist bemerkenswert, dass Nazarbayev den entscheidenden Schritt getan hat und Atomwaffen aus seinem Staatsgebiet entfernt hat und nach dem Zerfall der Sowjetunion alle Atomtests sofort beenden ließ. Tatsächlich wurde auch die Resolution der Generalversammlung der Vereinten Nationen über die universelle Erklärung zur Schaffung einer atomwaffenfreien Welt durch Kasachstan vorgeschlagen.
Der fortschreitende Stand der Technologie hat das Ausmaß eines möglichen Schadens durch die heutigen Massenvernichtungswaffen dramatisch erhöht. Krieg ist daher keine Option, um Streitigkeiten zu schlichten, es müssen vielmehr legale und friedliche Mittel eingesetzt werden, welche die Beendigung aller Kriege garantieren. Gleichzeitig erhöht sich die Dringlichkeit, Atomwaffen zu verbieten und einen Prozess in Gang zu setzen, wodurch diese systematisch beseitigt werden können. Wenn der Arbeitskreis sich in Genf trifft, sollten die Delegationen das enorm wichtige Ziel eines 21. Jahrhunderts ohne Kriege im Blickfeld behalten. Das wird auch ein totales Verbot von Atomwaffen und atomarem Material überall auf der Welt unterstützen. Indien sollte in dieser Hinsicht die Initiative ergreifen.
Der Autor ist ehemaliger Vorsitzender von The Energy and Resources Institute (TERI).
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