Anmerkung: Zwar haben die internationalen Atomsicherheitsgipfel (2010 – 2016) bei der Sicherheit von Kernmaterial und der Reduzierung von Atomwaffen weltweit Fortschritte gemacht. Die ernste, überbordende Bedrohung durch Terrororganisationen mit Zugang zu atomarem Material bestätigt aber erneut, dass diese Ansätze nicht ausreichen, um nationale Sicherheit und Frieden zu sichern.   – John Hagelin, Präsident

Fallout vom Atomsicherheitsgipfel

Von James Conca, 3. April 2016

President Barack Obama bids farewell to President Xi Jinping of China

Präsident Barack Obama verabschiedet sich zum Abschluss des Atomsicherheitsgipfels in Washington am 1. April 2016 von Chinas Präsident Xi Jinping. Am Atomsicherheitsgipfel nahmen mehr als 50 Länder teil und erzielten einen bedeutenden Fortschritt bei der weltweiten Reduzierung von Atomwaffen und Vorräten an spaltbarem Material und bei erhöhter Sicherheit von Atomanlagen. Quelle: Offizielles Foto des Weißen Hauses von Pete Souza.

Beim Atomsicherheitsgipfel, an dem mehr als 50 Länder beteiligt waren und der am Freitag in Washington zu Ende ging, wurde über mehrere heikle Themen in Bezug auf Verbreitung von Atomwaffen und Terrorismus gestritten. Die Länder, die dabei am meisten Kopfzerbrechen bereiteten, waren China und Russland. China, weil es mit der größten atomaren Aufrüstung der Welt seit 50 Jahren begonnen hat, und Russland, weil es sich entschlossen hat, überhaupt nicht teilzunehmen.

Der vierte Atomsicherheitsgipfel in Folge, den die Obama-Regierung initiiert hat, zeitigte deutliche Erfolge, ganz besonders die erhebliche globale Reduzierung von Atomwaffen, die weltweite Reduzierung von Vorräten an spaltbarem Material, die erhöhte Sicherheit von Atomanlagen, zwölf weitere Länder, die jetzt frei von waffenfähigem Material sind, eine geänderte Fassung des Atomwaffensperrvertrages und das historische Atomabkommen mit dem Iran, das bisher nach Plan verlief.

Hauptthema waren mögliche atomare Bedrohungen durch Terroristen – was nach dem Terroranschlag von letzter Woche in Brüssel nicht verwundert – und die Beobachtung von Atomwissenschaftlern und Atomanlagen durch Terroristen. Die Gefahr durch Terroristen ist jedoch immer noch weitaus geringer als die Gefahr, die von Staaten wie Nordkorea und Pakistan ausgeht oder die Möglichkeit eines neuen atomaren Wettrüstens in Nahost.

Die Abwesenheit Russlands war aus verschiedenen Gründen besorgniserregend. Dieses Land verfügt über die meisten Atomwaffen und das meiste spaltbare Material der Welt, und die Russen spielen eine Schlüsselrolle beim Erfolg des Atomabkommens mit dem Iran. Aber Russlands Wirtschaft verschlechtert sich weiter, und das führt zu einer Verschlechterung der atomaren Infrastruktur und einem Rückgang der Finanzierung von Atomwissenschaftlern und Kontrolleuren. Korruption und organisiertes Verbrechen herrschen vor, was Schmuggel von spaltbarem Material befürchten lässt.

Aus China jedoch kamen gute wie schlechte Nachrichten.

Positiv ist, dass China zweifellos mithilft zu verhindern, dass nukleares Material in die Hände von Terroristen und »Schurkenstaaten« fällt, und Atomsicherheit sehr ernst nimmt. China und die USA gaben eine gemeinsame Erklärung zur Zusammenarbeit bei der Atomsicherheit ab, in der sie sich verpflichteten, zusammen »zum Wohl der Allgemeinheit und der Sicherheit aller eine friedliche und stabile internationale Umgebung zu fördern durch Reduzierung der Bedrohung von atomarem Terrorismus und Streben nach einer mehr inklusiven, koordinierten, nachhaltigen und starken weltweiten atomaren Sicherheitsarchitektur«.

Stolz verkündeten die USA und China die erfolgreiche Fertigstellung und offizielle Eröffnung des internationalen Atomsicherheits-Kompetenzzentrums in Peking zwei Wochen vor dem Gipfel. Dieses Zentrum wird einen wichtigen Beitrag zur Umsetzung weltweiter Atomsicherheit leisten.

Präsident Obama und Präsident Xi Jinping kündigten ebenfalls optimistisch einen weiteren wichtigen Schritt bei ihren gemeinsamen Bemühungen zum Klimaschutz an: Beide Länder wollen am 22. April das Pariser Abkommen unterzeichnen und in ihren Ländern so bald wie möglich die nötigen Schritte unternehmen, um dem Abkommen beizutreten.

Dennoch löste die Unfähigkeit, Nordkorea in Schach zu halten, und Chinas Aufrüsten im Südchinesischen Meer bei dem Gipfel Besorgnis aus. Präsident Xi erklärte zwar, China verfolge keine weitere Militarisierung dieser strategisch wichtigen Wasserwege, offensichtlich aber geschieht gerade genau das. Die Nachbarländer Philippinen, Malaysia und Vietnam werden zunehmend nervös.

China hat ein starkes Interesse an Atomsicherheit. China plant mehr als eine Billion Dollar ein, um der weltgrößte Erzeuger von Atomenergie zu werden. Bis 2020 bauen sie 40 neue Reaktoren, bis 2030 hundert weitere, und über 200 zusätzliche bis 2050. Ihr neuer Fünfjahresplan stellt die Weichen, um diesen ehrgeizigen Zeitplan einzuhalten.

Erst in der letzten Woche gingen zwei der neuen chinesischen CPR-1000-Atomreaktoren ans Netz – einer im Atomkraftwerk Hongyanhe in der Provinz Liaoning und einer im Atomkraftwerk Ningde in der Provinz Fujian.

Die Eile, die Atomkraft auszubauen, beruht auf Chinas enormer Luftverschmutzung aus den bestehenden Kohlekraftwerken. Gekoppelt mit der Notwendigkeit, ihre Energieproduktion zu verdoppeln, um dem Rest der Bevölkerung den Aufstieg in die Mittelschicht zu ermöglichen, verwundert es nicht, dass Atomkraft und andere Formen der Stromerzeugung so forciert und beschleunigt werden.

China will nicht nur Kohlekraft durch Atomkraft ersetzen, das Land will auch führender Exporteur von Atomtechnologien werden. Das gilt auch für schwere Bauteile in der Versorgungskette, wo momentan der Engpass der atomaren Expansion liegt. Die kürzlich abgeschlossenen Atomdeals der Chinesen mit dem Vereinigten Königreich und europäischen Staaten zeigen, dass dieser Plan aufzugehen scheint.

Gleichzeitig baut China seine Kernwaffenkapazitäten aus. China gibt doppelt so viel wie Russland für Verteidigung aus und wird nur von den Vereinigten Staaten übertroffen, obwohl ihr Budget dem der USA in Bezug auf den Anteil am BIP gleichkommt.

China baut seine hochentwickelten konventionellen Waffen aus, modernisiert sein Atomwaffenarsenal, setzt neue mobile Landraketen ein und baut eine U-Boot-Flotte für die neuen ballistischen Flugkörper, die vom Meer aus gestartet werden. Außerdem testet China konventionelle Langstrecken-Präzisionswaffen und einzeln steuerbare Mehrfachsprengköpfe (Carnegie).

Man sollte nicht außer Acht lassen, dass ein Ausbau von Waffenarsenalen Hand in Hand geht mit wirtschaftlicher Expansion. Jedes Land oder Volk der Geschichte hat das getan, zuerst um das Überleben zu sichern und dann als Mittel zur Expansion. Ob es sich um Stahlwaffen im Eisenzeitalter handelte oder um die im 14. Jahrhundert aufkommenden Kanonen oder die Atomwaffen des 20. Jahrhunderts: Alle Großmächte denken, sie bräuchten die destruktivsten und modernsten Mittel, um ihre Rivalen oder vermeintlichen Feinde zu zerstören.

Die US-Nachrichtendienste sagen voraus, dass China in 20 Jahren die größte Atommacht der Welt sein wird, mit jährlich über einer Billion Kilowattstunden Atomstrom, mit fast einer Milliarde Bürgern in der Mittelschicht und mit genügend Atomwaffen, um sogar die USA abzuschrecken.

Wir müssen diese Atomsicherheitsgipfel unbedingt fortsetzen. Wir müssen ein wirklich globales Atomsicherheitssystem entwickeln, das alle Länder der Welt, sowohl Supermächte als auch »Schurkenstaaten«, einbezieht. Und eines, das die Präsidentschaft Obamas weit überdauern wird.

Dr. James Conca ist Geochemiker, Strahlenschutzexperte, Weltraumgeologe und Redner. Sie können ihm auf Twitter @jimconca folgen und sein Buch auf Amazon.com finden.

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http://www.forbes.com/sites/jamesconca/2016/04/03/fallout-from-the-nuclear-security-summit/#107d5e2072ab